Deutschland geht der Impfstoff aus 

Der Winter ist die Zeit der Fernreisen in die Sonne, aber auch der Erkältungen. In beiden Fällen dienen Impfungen als Schutzmaßnahme vor Krankheiten, aber auch zur Behandlung. Mediziner sind hilflos – es fehlen aktuell bundesweit 38 Impfstoffe.

Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI), das Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel, führt eine Liste der Lieferengpässe von Human-Impfstoffen gegen Infektionskrankheiten. Seit Oktober sind dort bereits 38 fehlende Impfstoffe gelistet. Betroffen sind unter anderem Mittel gegen Kinderlähmung, Tollwut und Grippe. Beim für Kleinkinder lebensbedrohlichen Keuchhusten könnte sogar eine ernste Impflücke entstehen.

Die Spalte "Verfügbarkeit" auf der PEI-Liste liest sich wie ein Zukunftsalbtraum: "In Saison 2016/17 wieder lieferbar", "Bis voraussichtlich Ende 2016 nicht lieferfähig", "Nächste Lieferung verzögert sich auf unbestimmte Zeit".

Engpässe gibt es bei Impfstoffen jedes Jahr. Doch noch nie war es so dramatisch wie in 2015. "Wir werden regelrecht beschimpft", sagt eine Ärztin aus dem Tropeninstitut in Berlin. Dahin schicken die verzweifelten Mediziner ihre Patienten, denen sie mangels Impfstoff nicht weiterhelfen können. Doch auch das Tropeninstitut kann nichts machen.

PEI bietet neben jedem fehlenden Impfstoff eine alternative Handlungsempfehlung. Stets mit dem Zusatz: "wenn verfügbar". Es kommt aber auch der Hinweis: "Aktuell ist zur Polio-Impfung von Kindern im Alter von 36-47 Monaten kein zugelassener IPV-Impfstoff verfügbar, daher muss eine anstehende Polio-Impfung verschoben werden."

Da wird aktuell in Deutschland über die Gesundheitskosten gestritten – wer welchen Anteil zu tragen hat. Dass die Gesundheit dabei auf der Strecke bleibt, interessiert kaum. Auch nicht, wie neue Gesetze, beispielsweise das Präventionsgesetz, ab 2016 umgesetzt werden sollen, wenn die Grundlage dafür fehlt.

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe sagte dazu noch im Sommer: "Unser Ziel ist, dass möglichst alle Kinder in Kitas und Schulen einen Impfschutz haben. Deshalb wird der Nachweis über die ärztliche Impfberatung Voraussetzung für die Aufnahme in die Kita."

Der Pharmakonzern Sanofi Pasteur MSD erklärte Anfang September: "Impfstoffe sind biotechnologische Produkte, deren Herstellung komplex und aufwendig ist. Deshalb kann es vereinzelt zu Lieferengpässen kommen." Klingt unbefriedigend für Patienten, die dringend auf eine Impfung warten.

Sie wissen nicht, dass die Herstellung von Impfstoffen 12 bis 26 Monate beträgt. Nur auf Bestellung gearbeitet wird, da die Produkte nicht lange lagerfähig sind. Dass eine verunreinigte Charge, die entsorgt werden muss, deshalb zu einem zweijährigen Lieferausfall führen kann.

Tatsächlich gibt es nur eine überschaubare Anzahl von Herstellern, die sich in der Lage sehen, sich überhaupt den Herausforderungen in der Herstellung von Impfstoffen zu stellen. Einer von ihnen ist Glaxo Smith Kline (GSK). Der Impfstoffhersteller agiert weltweit mit einem breiten Portfolio.

GSK-Pressesprecherin Dr. Anke Helten bedauert die Lieferschwierigkeiten und erklärt: "Das liegt daran, dass Impfstoffe biologische Arzneimittel sind, deren Grundlage Mikroorganismen oder deren Bestandteile sind. Im Gegensatz zum Beispiel zu einem chemisch synthetisierten Produkt unterliegen sie stärkeren Schwankungen bei der Produktion und kleine Veränderungen in den Produktionsbedingungen können massiven Einfluss auf die Konsistenz der Produktion und die Qualität des Endprodukts haben."

Da der Aufbau und Unterhalt einer Produktionsanlage mit sehr hohen Kosten verbunden ist, gehen die Pharmakonzerne mit diesen hoch sensiblen Impfstoffen in ferne Länder mit lockenden Konditionen. Deshalb wird es in Deutschland auch keine Antwort darauf geben, warum wir aktuell hier keine ausreichenden Impfstoffe zur Verfügung haben.

Foto: ©Gina Sanders/Fotolia

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