Winterreifen-Pflicht trotz sommerlicher Temperaturen? 

Sonnenschein und rund 20 Grad Celsius. Greift bei dieser Wetterlage die in Deutschland verankerte Winterreifen-Pflicht? Oder sind Autofahrer, die noch nicht die Reifen gewechselt haben, grob fahrlässig unterwegs?

Der Berliner Fachanwalt für Verkehrs- und Versicherungsrecht Gregor Samimi beruhigt: "Nein, es dürfte nicht grob fahrlässig sein, im Winter mit Sommerreifen zu fahren." Komme es zu einem Unfall, liege die Beweislast beim Versicherungsunternehmen. Verbraucher sollten sich nicht von Regressansprüchen oder Obliegenheitsverpflichtungen einschüchtern lassen.

Banktip.de hat die wichtigsten Fragen und Antworten zusammengestellt:

Was genau ist die Winterreifen-Pflicht?

Die Winterreifen-Pflicht ist seit 2010 in der Straßenverkehrsordnung verankert (§2 StvO, 3a). Dort heißt es: Bei Glatteis, Schneeglätte, Schneematsch, Eis- oder Reifglätte dürfen Autos, Busse, Laster und Motorräder nur mit Winterreifen oder Allwetterreifen bewegt werden. Nur Trecker sind ausgenommen, da ihre grobstolligen Profile ausreichend Sicherheit bieten.

Wann genau beginnt und endet sie?

Es gibt keinen offiziellen Zeitraum. Als Regel heißt es von Oktober bis Ostern.

Welche Strafen drohen?

Das Bußgeld reicht von 60 bis 120 Euro und Punkten in der Flensburger Verkehrssünderkartei. Je nachdem, ob es nur das Fahren mit Sommerreifen bei Winterwetter betrifft, es dadurch eine Behinderung im Straßenverkehr gibt, eventuell eine Gefährdung stattfindet oder es sogar zum Unfall kommt.

Woran erkenne ich Winterreifen?

Das bisherige M+S-Zeichen (Matsch und Schnee), das auch in der Straßenverkehrsordnung genannt wird, ist rechtlich nicht geschützt. Die europäische Wirtschaftskommission UNECE hat sich auf das Alpine-Symbol – Berg mit Schneeflocke - als Erkennungszeichen in Europa geeinigt. Es stammt ursprünglich aus den USA und könnte ab 2017 in Deutschland Pflicht werden.

Welche Versicherungen greifen im Schadensfall?

Ohne die Kfz-Haftpflicht gibt es in Deutschland keine Zulassung. Sie tritt dann ein, wenn der Versicherte einem anderen einen Schaden zufügt. Dies gilt sowohl bei Sach- und Vermögensschäden als auch bei Personenschäden. Die Teilkasko tritt je nach Vertragsbedingungen für Schäden am eigenen Auto ein. Bei der Vollkasko werden auch bei schuldhaften Verhalten die Unfallschäden am eigenen Auto übernommen. Oft gibt es je nach Vertrag Zusatzleistungen wie beispielsweise ein Ersatzfahrzeug während der Reparatur.

Wie gehen die Versicherungen im Schadensfall vor?

"Bei einer Vollkasko muss der Versicherer nachweisen, dass der Unfall darauf beruht, dass bei winterlichen Verhältnissen keine Winterreifen aufgezogen waren", erklärt Rechtsanwalt Samimi. Versicherer könnten hier und da den Vorwurf erheben, aber die Beweislast sei schwer für sie zu erbringen.

'"Bei der Haftpflicht ist nichts zu befürchten, der Schaden, den der Fahrer bei anderen verursacht, wird bezahlt", so Samimi. Ebenso scheidet ein Regress – also das Zurückfordern von erbrachten Leistungen der Versicherung - aus, wenn der Fahrer gleichzeitig Eigentümer des versicherten Fahrzeugs ist. Genauso müsse bei einer Obliegenheitsverletzung - also dem Verstoß gegen Nebenpflichten, die sich aus einem Gesetz oder Versicherungsvertrag ergeben - erst einmal der Beweis erbracht werden. Hier also, dass die Sommerreifen am Unfall Schuld waren.

Trotzdem sollten Autofahrer sich an die Straßenverkehrsordnung halten. Wer also im Winter mit Sommerreifen fährt, lässt das Fahrzeug bei Schnee und Glätte lieber stehen. Zudem haben Autofahrer mit Winterreifen keinen Freibrief, was weitere Verpflichtungen im Straßenverkehr betrifft. Das Bundesverkehrsministerium erinnert hier an eine den Witterungsverhältnissen angepasste Geschwindigkeit, das Befreien aller Scheiben von Eis und Schnee – auch der Beleuchtung und Kennzeichen. Ebenso dürfe das Dach nicht vergessen werden, damit herunterfallende Eis- und Schneeteile andere Verkehrsteilnehmer nicht behindern.