Der Bundesfinanzhof hat unter Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass zur steuerlichen Geltendmachung von Krankheitskosten nicht mehr ein bereits vor Behandlungsbeginn eingeholtest Attest vom Amtsarzt nötig ist. Vielmehr soll der Krankheitsnachweis auch noch später und mit allen geeigneten Beweismitteln geführt werden können (Az.: VI R 17/09, VI R 16/09).
Finanzamt will Amtsarztattest schon vorher
In den vom BFH entschiedenen Fällen ging es einmal um die Kosten für die Unterbringung in einem Internat mit Legastheniezentrum wegen einer Lese- und Rechtschreibschwäche und einmal um die Kosten für die Anschaffung neuer Möbel, da die alten zu Asthmabeschwerden geführt hatten. In beiden Fällen entschieden Finanzamt und Finanzgericht, dass die Kosten nicht als außergewöhnliche Belastungen absetzbar seien. Bei den Kosten für das Legastheniezentrum monierte das Finanzamt, dass kein ärztliches Attest bereits vor Behandlungsbeginn den Krankheitsstatus der Lese- und Rechtschreibschwäche bestätigt hatte. Im zweiten Fall erkannte das Finanzamt die Kosten nicht an, da ein amtsärztliches Attest fehle, dass die Gesundheitsgefährdung der alten Möbel belege.
Der BFH hob beide Entscheidungen auf. Die Münchener Richter entschieden nun, dass der Krankheitsnachweis nicht mehr nur durch ein amts- oder vertrauensärztliches Gutachten bzw. ein Attest eines anderen öffentlich-rechtlichen Trägers erbracht werden kann. Das Finanzgericht habe die Beweise zu würdigen und es sei nicht ersichtlich, warum ein solcher Beweis nicht auch in einem "normalen" ärztlichen Gutachten, das vom Gericht eingeholt wird, liegen kann. Auch andere Mediziner besäßen die erforderliche Sachkunde und Neutralität, die medizinische Situation objektiv und sachverständig einschätzen zu können.
Keine Gefälligkeitsgutachten
Die Befürchtung, es könnten Gefälligkeitsgutachten erstattet werden, teilte der BFH nicht. Auch sei das Verlangen nach einer amtsärztlichen oder vergleichbaren Stellungnahme zur Missbrauchsabwehr nicht erforderlich. Denn durch ein von einem Beteiligten vorgelegtes Privatgutachten, beispielsweise des behandelnden Arztes, könne der Nachweis der Richtigkeit des klägerischen Vortrags und damit der medizinischen Indikation einer Heilmaßnahme ohnehin nicht geführt werden. Ein solches sei lediglich als urkundlich belegter Parteivortrag zu würdigen. Letztendlich wird sich das Gericht eines objektiven medizinischen Sachverständigen bedienen.