Insolvenzreform: Die Änderungen im Überblick 

Der 1. Juli 2014 war der Stichtag. Mit ihm begann die zweite Phase der neuen Insolvenzrechtsreform. Was sich genau änderte und vorauf Schuldner achten müssen, erklärt Banktip.

Seit dem 1. Juli 2014 können Verbraucher in Privatinsolvenz früher schuldenfrei werden. Zuvor wurden Schuldner ihre Verbindlichkeiten immer erst nach sechs Jahren erlassen.  Nach dieser Zeit mussten sie lediglich noch die Gerichts- und Anwaltskosten bezahlen. Wer nicht liquide war, konnte diese stunden. Diese Regelung gilt für Schuldner, die vor dem neuen Stichtag Insolvenz beantragten. Die Höhe dieser Kosten richtet sich unter anderem nach dem Umfang der Schulden.

Schuldenfrei nach fünf oder drei Jahren


Das neue Insolvenzrecht ermöglicht nun Schuldnern bereits eine Ent­schuldung nach drei oder fünf Jahren. Dazu müssen jedoch bestimmte Bedingungen erfüllt werden. Bei der Restschuldbefreiung nach fünf Jahren muss der Schuldner die Verfahrenskosten in diesem Zeitraum begleichen. Kann er diese zahlen, werden ihm die Restschulden entlassen. "Die neue Fünf-Jahresfrist gilt nur für neue Insolvenzverfahren, die ab dem 01.Juli 2014 eingereicht wurden und werden", erklärt der Leiter der Schuldner­beratung der Caritas in der Großen Hamburger Straße 18 in Berlin, Carlo Wahrmann. Dennoch rät der Schuldnerberater Betroffenen, die vor dem Stichtag in Insolvenz gingen, nach Möglichkeit die Verfahrenskosten zu zahlen. Diese können laut Wahrmann auch nach der Erteilung der Restschuldbefreiung bis zu vier weitere Jahre von den Schuldnern eingezogen werden.

Die Restschuldbefreiung nach drei Jahren dagegen sieht vor, dass die Schuldner 35 Prozent der Verbindlichkeiten an die Gläubiger zurückzahlen und die gesamten Verfahrenskosten begleichen. Ist dies in drei Jahren möglich, werden ihnen die restlichen Schulden erlassen. Können Schuldner dies nicht, erfolgt der Schuldenerlass nach einer Wohlverhaltensphase nach sechs Jahren. Die Drei-Jahres-Regelung gilt nur für Verfahren, die nach dem 30. Juni 2014 beantragt wurden.

Neue Hürden und neue Möglichkeiten


Die Änderung der Insolvenzreform schafft nach Angaben der Verbraucher­zentrale Berlin auch neue Hürden. "So waren bisher unter anderem Forderungen aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, Geldstrafen und Ordnungsgelder von der Restschuldbefreiung ausge­nommen. Hinzu kommen jetzt Forderungen aus rückständigem Unterhalt und Steuerschulden, wenn der Schuldner wegen einer Steuerstraftat rechtskräftig verurteilt wurde. Diese Schulden bleiben künftig also auch nach durchgeführtem Insolvenzverfahren bestehen."

Weiterhin soll die Erwerbsobliegenheit ausgedehnt werden. Dabei müssen die Schuldner eine angemessene Erwerbstätigkeit ausüben. Sind die Schuldner arbeitslos, müssen sie sich um eine Arbeit bemühen und dürfen auch keine nicht zumutbare Tätigkeit ablehnen. Verweigern die Schuldner eine Arbeit, kann die Restschuldbefreiung versagt werden. Mit dem neuen Recht gilt die Erwerbsobliegenheit laut Verbraucherzentrale Berlin bereits während des Insolvenzverfahrens. Vorher beschränkte sich diese Pflicht auf die Wohlverhaltensphase.

Nach Angaben der Zeitschrift "Welt" ermöglicht die Reform ab sofort ein sogenanntes Insolvenzplanverfahren. Dies können alle Schuldner für sich beanspruchen, wenn sie sich mit den Gläubigern über die Rückzahlungs­modalitäten einig werden. Der "Welt" zufolge können dabei die Gläubiger in verschiedene Gruppen eingeteilt werden. Mit diesen wird dann einzeln über einen entsprechenden Rückzahlungsplan verhandelt. Stimmt die Mehrzahl der Gläubiger zu, müssen die restlichen Gläubiger dem ebenfalls zu­stimmen. Dies gilt laut "Welt" jedoch nur, wenn der Plan niemanden im Vergleich zum Verfahren ohne Plan benachteilige.

Weiterhin werden Mitglieder von Wohnungsgenossenschaften besser geschützt. Diese besitzen Anteile an der Genossenschaft. Bisher konnten Insolvenzverwalter verlangen, dass diese Anteile in die Insolvenzmasse fließen. Die Mitglieder konnten dadurch zur Kündigung der Wohnung gezwungen werden. Dies ist nun nicht mehr möglich. Die Neuregelung besagt laut dem Versicherer Arag jedoch auch, dass die angesparte "Beteiligung eine Obergrenze von vier Nettokaltmieten oder maximal 2.000 Euro nicht übersteigt." Mit der Begrenzung solle verhindert werden, dass Schuldner "einen größeren Teil seines Vermögens als genossenschaftliches Geschäftsguthaben insolvenzfest" anlegen.

Auch die Rechte von Gläubigern werden gestärkt. Diese haben mit der Neuregelung jederzeit die Möglichkeit, eine Versagung der Restschuld­befreiung zu verlangen. Laut Arag soll "das die Rechte der Gläubiger stärken, deren Wahrnehmung bislang beschwerlich war. So wurde oftmals eine Restschuldbefreiung erteilt, obwohl Versagungsgründe vorlagen." "Dass Gläubiger die Verwehrung der Restschuldbefreiung erwirken können, gab es schon immer. Neu dazugekommen sind vor allem zwei Bereiche: a) Unterhaltsschulden, die entstanden, obwohl der Schuldner Einkommen hatte und trotzdem keinen Unterhalt gezahlt hat (Stichpunkt: vorsätzlich nicht gewährter Unterhalt) und b) Steuern, die hinterzogen wurden und Steuern die im Zusammenhang mit einer Steuerstraftat, zum Beispiel Steuerhehlerei oder Schmuggel, stehen", sagt Wahrmann.

Zukunftsaussicht


Wie viele Überschuldete in Deutschland von der Neuregelung profitieren können, gilt abzuwarten. "Es ist schwer zu sagen, wie viele Überschuldete diese Neuregelung beanspruchen können. In den Innenstadtbezirken (von Berlin) haben die meisten Schuldner kein Geld. In der Regel gibt es kein pfändbares Einkommen und kein Vermögen. Eingereicht werden soge­nannte flexible Nullpläne. Das heißt: Jetzt gibt es nichts. Aber vielleicht erzielt jemand im Verlauf der fünf oder sechs Jahre doch noch pfändbares Einkommen oder erbt irgendein Vermögen. Ich habe selbst zurzeit drei von 100 Klienten, die vielleicht die neue Regelung nutzen können", sagt Carlo Wahrmann.

Die Autorin Anne Koark schrieb zwei Bücher zum Thema Insolvenz: "Zurück auf Start. Mein neues Leben nach der Insolvenz" und "Insolvent und trotzdem erfolgreich". Darin berichtet sie von ihren Erfahrungen mit der Privatinsolvenz und macht Betroffenen Mut.

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