Ein Kommentar von Antje RitterNach dem rosa Überraschungsei für Mädchen, gibt es nun die Kreditkarte für Frauen. Der Alptraum aus Plaste startet in der Schweiz und scheitert ganz sicher an einem – der Gleichstellung der Geschlechter. Darauf hat die Welt definitiv nicht gewartet – eine Kreditkarte für Frauen. Der Anbieter Cornèrcard bietet alles, was "die Bedürfnisse der heutigen Frauen perfekt abdeckt" im "feminin-edlen Design". Die Bedürfnisse der "heutigen Frau" sind laut Cornèrcard also eine "Handtaschenversicherung, eine Geldautomaten-Raub-Versicherung und weitere Leistungen, die das Herz der Frau höher schlagen lassen." Zudem runden "sorgfältig ausgewählte Spezialangebote, Tickets für spezielle Events, wertvolle Tipps und Tricks aus den Bereichen Mode und Kosmetik, Ratschläge für Küche und Haushalt oder Informationen zu den neuesten Reisetrends das innovative Produkt perfekt ab."
In welchem Jahrhundert leben wir gleich?
Ähm bitte was? Habe ich statt einer Wandertour eine Zeitreise gebucht? Sind etwa wieder die 50er Jahre aufgeflammt, in denen die Frau schön aussehen sollte, in der Küche stand und die Kohle ihres Mannes ausgeben durfte? Braucht die Menschheit wieder Geschlechteraufgabentrennung im Geiste? Wurde Mario Barth zu wörtlich genommen? Oder ist das so ein Schweiz-Ding?
Das Alpenland will ja auch nicht unbedingt Ausländer und schon gar keinen Mindestlohn. Der Schweizer begnügt sich also mit seinen Bergen und Seen. Dafür gönnt er sich jedoch zwei Versionen der Kreditkarte. Scheinbar reicht der Luganer See nicht aus, um sich vom Rest Europas abzusetzen.
Die Verschwörung der Kreditkarte?
Viel wichtiger: Hatten die Kreditinstitute die herkömmliche Kreditkarte für Männer entwickelt? Fand eine jahrelange Diskriminierung der Frau statt, ohne dass dies jemand offensichtlich bemerkte? Ist für einen Mann Skimming weniger schlimm oder der Raub der Aktentasche oder des Rucksacks oder passiert das alles nur Frauen? Manche Männer tragen auch Handtasche! Das ganze Konzept der Frauenkreditkarte spaltet den jahrelangen Fortschritt der Geschlechtergleichstellung durch die Benennung der Geschlechter in einer völlig unbedeutenden Sparte des Lebens. Die Idee für eine Frauenkreditkarte ist völlig überholt und unnötig.
Spätestens seitdem Europa Conchita Wurst zur Gewinnerin des Eurovision Song Contest 2014 machte, sollte den meisten klar sein, dass die klassische Geschlechterdefinition für einen großen Teil der Verbraucher ausgedient hat. Eine Kreditkarte mit Geschlechtszuweisung wirkt dabei schon skurril. Die herkömmliche Kreditkarte tut es schließlich auch. Diebstahl ist in der Haftpflicht versichert und Tipps zum Verreisen und für Kosmetik bekommt man im Internet oder aus der Zeitung. Vielleicht will Frau sich auch gar nicht schminken? Und dürfen Männer, die gerne Farbe auf der Haut tragen, diese Karte besitzen oder schickt die Bank dem Interessierten nach Anfrage trotzdem die schnöde Karte für den Mann zu? Es soll ja vorkommen, dass auch das männliche Geschlecht gerne die angeblich "femininen Produkte" mag. Fragen über Fragen, deren verschiedenen Antworten seit Jahrzehnten widersprüchlicher nicht sein können.
Schwarz ist doch besser
Bleibt zu hoffen, dass sich das Konzept nicht bei anderen Anbietern durchsetzt. Denn mal ehrlich, wer braucht schon eine geschlechtsspezifische Kreditkarte mit Spam- Newslettern, wenn es doch die schönen schwarzen Bezahlkarten gibt. Gut, die schwarzen Karten sind den Reichsten der Reichen vorbehalten. Aber Frau (und Mann) dürfen ja noch träumen. Und das Schöne daran: Das Konzept und der damit verbundene Reichtum sind geschlechtsneutral. Das ist doch mal eine Aussage zum Thema Mann und Frau. Denn die Farbe Schwarz ist ja bekanntermaßen keine Farbe, sondern ein Statement! Damenlaufschuhe in schwarz wären übrigens auch nicht schlecht, aber das ist eine andere Sache.
