Die Richtung scheint klar: Mit dem Ende des Betreuungsgeldes und den Neuerungen beim Elterngeld stärkt die Politik die Rolle der berufstätigen Mutter. Das neue Elterngeld Plus verbessert insbesondere für die Frauen die Möglichkeiten, Kind und Beruf zu vereinbaren. Doch mit der Vielfalt der Familienkonzepte steigt auch die Komplexität des Elterngeldes.
Am 21. Juli 2015 haben die Richter am Bundesverfassungsgericht Karlsruhe das Betreuungsgeld für verfassungswidrig erklärt. Trotz der heftigen Kritik an der 2013 eingeführten und als "Herdprämie" verspotteten Sozialleistung hatten zuletzt über 450.000 Familien das Betreuungsgeld bezogen.
Das Betreuungsgeld schloss bis dato unmittelbar an das 14-monatige Elterngeld an. Medial stellt das Betreuungsgeld das Elterngeld wegen seiner politisch-sozialen Brisanz dabei deutlich in den Schatten. Rund um Empörung oder Freude über das Karlsruher Urteil geht dabei ein wenig unter, dass Anfang Juli das neue Elterngeld Plus gestartet ist. Aufgrund seiner Konstruktion reicht das Elterngeld Plus über den 14. Lebensmonat hinaus und quasi in den bisherigen Betreuungsgeld-Bereich hinein.
Der Unterschied zum klassischen Elterngeld, dem sogenannten Basiselterngeld: Mutter oder Vater können beim Elterngeld Plus weiter in Teilzeit arbeiten, ohne dass dadurch wertvolle Elterngeldmonate komplett verfallen. Die Regierung will damit für die Familien und vor allem für die Mütter bessere Möglichkeiten schaffen, Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen. Anders als beim Betreuungsgeld honoriert der Staat mit diesem Modell nicht die ausschließliche Betreuung des Kindes zuhause, sondern ein berufstätiges Eltern-Dasein, und das auch über den 14. Lebensmonat des Kindes hinaus.
Das bisherige "Basiselterngeld"
Das Elterngeld Plus basiert auf dem klassischen Elterngeld, das es in dieser Form auch weiterhin gibt. Auf das Elterngeld wie bisher haben Mütter und Väter nach der Geburt des Kindes 14 Monate lang Anspruch. Sie können sich die Monate je nach Bedarf untereinander aufteilen, jedes Elternteil soll mindestens zwei und höchstens zwölf Monate nehmen – nur Alleinerziehende erhalten die vollen 14 Monate. Die Eltern können auch zwei Elterngeld-Monate parallel in Anspruch nehmen, durch diese "Partnermonate" verkürzt sich die gesamte Bezugsdauer entsprechend auf 12 Monate.
Je nach Einkommen vor der Geburt reicht die Höhe des Elterngeldes von 300 Euro bis maximal 1.800 Euro und liegt in der Regel bei 65 Prozent des bisherigen Gehalts. Für Geringverdiener mit einem Einkommen unter 1.000 Euro erhöht sich der Prozentsatz auf bis zu 100 Prozent.
Verdienst vor der Geburt: 1.500 Euro
Höhe des Elterngeldes: 1.500 Euro * 0,65 = 975 Euro
Mutter oder Vater können auch beim Basiselterngeld parallel bis zu 30 Wochenstunden in Teilzeit arbeiten. Das Elterngeld ersetzt dann in der Regel zu 65 Prozent die Differenz zum Einkommen vor der Geburt des Kindes (bei Geringverdienern steigt der Prozentsatz). Das Problem: Anders als beim neuen Elterngeld Plus verbrauchen die Eltern dabei einen kompletten Elterngeld-Monat.
Verdienst vor der Geburt: 1.500 Euro
Teilzeit-Verdienst nach der Geburt: 600 Euro
Höhe des Elterngeldes: 1.500 Euro – 600 Euro = 900 Euro * 0,65 = 585 Euro
Höhe des Einkommens: 600 Euro + 585 Euro = 1.185 Euro
Elterngeld Plus
Beim Elterngeld Plus geht die Teilzeitbeschäftigung während des Bezugs nicht auf Kosten eines vollen Elterngeld-Monats. Es gilt: Ein Elterngeld-Monat entspricht zwei Elterngeld-Plus-Monaten. Im Extremfall können Mutter und Vater also zusammen bis zu 28 Monate Elterngeld beziehen. Pro Monat bekommen die Eltern allerdings höchstens die Hälfte im Vergleich zum klassischen Elterngeld, die Spanne reicht also von 150 Euro bis maximal 900 Euro.
Verdienst vor der Geburt: 1.500 Euro
Teilzeit-Verdienst nach der Geburt: 600 Euro
Höhe des Elterngeldes: 1.500 Euro * 0,65 = 975 Euro / 2 = 487,50 Euro
Höhe des Einkommens: 600 Euro + 487,50 Euro = 1.087,50 Euro
Beim Elterngeld Plus erhält die Mutter oder der Vater in Teilzeit zwar auf den Monat gerechnet weniger als beim klassischen Elterngeld, in unserem Beispiel 487,50 Euro statt 585 Euro. Gerechnet auf den gesamten Bezug zahlt es sich für die Familien aber trotzdem aus – schließlich bekommen die Familien wegen genannter Regel pro Monat einen zusätzlichen Elterngeld-Plus-Monat.
Den 585 Euro aus einem Elterngeld-Monat stehen dann 2 x 487,50 Euro = 975 Euro aus zwei Elterngeld-Plus-Monaten gegenüber – das sind 390 Euro mehr Elterngeld. Würden alle 14 Elterngeld-Monate in dieser Weise durch dann 28 Elterngel-Plus-Monate ersetzt, steigt die staatliche Unterstützung im Beispiel insgesamt um 5.460 Euro. Übrigens können sich Eltern, auch wenn sie nicht Teilzeit arbeiten, für das Elterngeld Plus entscheiden und dadurch ihren Bezug strecken.
Partnerschaftsbonus
Durch den Partnerschaftsbonus können die Eltern ihren Elterngeld-Plus-Bezug sogar um weitere vier Monate verlängern. Die vier Monate pro Elternteil gibt es zusätzlich, wenn Mutter und Vater zugleich in Teilzeit mit 25 bis 30 Wochenstunden arbeiten und sich die Betreuung des Kindes so aufteilen.
Mit den neuen Regelungen vergrößern sich die Möglichkeiten für die Familien gravierend im Vergleich zum Basiselterngeld. Mütter und Väter müssen sich deswegen genau überlegen, wie sie die Elterngeldmonate untereinander aufteilen und wie sie Elterngeld- und Elterngeld-Plus-Monate miteinander kombinieren wollen. Die Länder haben dafür eigens Elterngeldstellen eingerichtet, in denen sich die werdenden Eltern detailliert über die verschiedenen Möglichkeiten informieren können.
Fazit
Das Betreuungsgeld ist auch deswegen gescheitert, weil sie als "Herdprämie" als eine zusätzliche Hürde für Frauen wahrgenommen wurde. Auch beim klassischen Elterngeld hält sich dieser Verdacht angesichts der Zahlen des Statistischen Bundesamtes: 835.000 Elternteile bezogen im ersten Quartal 2015 Elterngeld, neun von zehn davon waren Frauen. Mit dem Elterngeld Plus hat die Regierung insbesondere für Frauen die Möglichkeit geschaffen, in Teilzeit zu arbeiten, ohne dass dies wie bisher auf Kosten des Elterngeldes geht. Zusammen mit dem Partnerschaftsbonus hat sich durch das Elterngeld Plus die Bezugsdauer, aber auch die Komplexität in Punkto Planung erheblich gesteigert. Bevor Mütter und Väter also in Elternzeit gehen, sollten sie sich über die neuen Möglichkeiten genau informieren – und so das Beste für sich und ihre Familien herausschlagen.
Foto: © Erika Walsh/Fotolia
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